TV-Gipfel der Medientage München: Keine Angst vor Netflix und US-TV-Serien

Deutschland hat exzellente kreative Talente und das Potenzial, mit authentischen Produktionen international Aufmerksamkeit und Anerkennung zu erreichen. Das war das Fazit einer Expertenrunde im Rahmen des von Torsten Zarges, Chefreporter von DWDL.de, moderierten TV-Gipfels der MEDIENTAGE MÜNCHEN.

Produzenten und TV-Programmmacher betonten, sie müssten weder Netflix noch die Macht amerikanischer TV-Serien fürchten. Kelly Luegenbiehl, Vice President, Creative, International Originals bei Netflix, zeigte sich begeistert vom Produktionsstandort Deutschland.

Besonders das handwerkliche Können und die Leidenschaft, mit der junge deutsche Kreative sehr authentische Geschichten aus Deutschland und seiner Geschichte erzählten, habe sie überzeugt. So nehme Netflix neben den laufenden deutschen Produktionen wie „Dark“ weitere fünf deutsche Serienprojekte in das Programm auf. Diese deckten unterschiedlichste Formate ab, wie das historische Drama „Die Barbaren“ oder „Tribes of Europe“, das in einem durch eine globale Katastrophe zerstörten Europa spielt, und „Skyline“ über einen Hip-Hop-Produzenten in Frankfurt.

Insbesondere die nationalen Eigenarten – nicht nur in den angesprochenen deutschen Produktionen, sondern auch bei europäischen Projekten beispielsweise in der Türkei oder in Spanien – hätten in den USA grosse Aufmerksamkeit und viel Erfolg erzielt. Das gelte etwa für die deutschsprachige Netflix-Serie „Dark“. Luegenbiehl schloss daraus: „Je grösser die Eigenart und das lokale Profil, desto grösser ist der Erfolg.“

Der deutsche Markt müsse sich nicht hinter der Dominanz amerikanischer Qualitätsserien verstecken, fand auch UFA-Geschäftsführer Professor Nico Hofmann und verwies auf Marktanteile und Produktionsvolumina der deutschen Produzenten, denen Netflix mit einem Marktanteil von gerade 5 bis 6 Prozent gegenüberstehe. „Wir müssen nicht von Netflix wachgeküsst werden!“ Dennoch betonte er wie die anderen Teilnehmer der Expertenrunde seine Offenheit für neue Partnerschaften. Dabei bewertete er beispielsweise die Zusammenarbeit mit Amazon als sehr spannend.

Nico Hofman und Heike Hempel, stellvertretende Programmdirektorin und Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Fernsehfilm/Serie II, stellten deutlich das Engagement der deutschen Programmanbieter und Produzenten in der Talent- und Filmförderung heraus. Beide warfen Netflix vor, junge deutsche Talente über Exklusiverträge aus dem nationalen Markt zu ziehen, ohne aber in das deutsche Ausbildungs- und Fördersystem einzuzahlen, das wesentlich zum Aufbau junger Kreativer in Deutschland beitrage. Angesprochen auf originäre deutsche Inhalte betonte Hempel: „Wir produzieren deutsche ‚Originals‘ schon seit 1963!“.

Die deutschen Medienhäuser bringen zunehmend lineares und non-lineares Fernsehen zusammen. Die Mediathek stelle für das ZDF mittlerweile einen gleichberechtigten Kanal dar, der vor allem jüngere Zielgruppen erreiche und mit Empfehlungssystemen online den Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender weiterführe, beispielsweise wenn Zuschauern der ZDF-Serie „Bad Banks“ weiterführende Dokumentationen zum Thema angeboten würden.

Jan Wachtel, Geschäftsführer von RTL Interactive, und Andreas Bartl, Geschäftsführer von RTL II, berichteten, sie hätten festgestellt, dass Serien, die im linearen Fernsehprogramm erst mässig Erfolg hatten, auf der VoD-Plattform der Sendergruppe, TV Now, grossen Zuspruch fanden. Die Plattform habe sich beispielsweise bei dem Format „Love Island“ als erfolgreicher Testraum für neue Formate erwiesen. Auf der Basis dieser Erfahrungen entscheide sich dann, ob Inhalte primär linear, in VoD-Modellen vermarktet oder mit kaufpflichtigen Premium-Angeboten ergänzt würden.

Alexander Vassilev, der als Geschäftsführer das senderübergreifende Streaming-Angebot 7TV verantwortet, stellte aus seiner Erfahrung als früherer Product Manager von Google Search fest, dass es bei Partnerschaften immer darauf ankomme, die eigenen Stärken zu pflegen, und weniger darauf, mit mächtigen Plattformen zu konkurrieren. Wie die anderen Experten wollte er sich auf bestimmte Partnerschaften nicht festlegen lassen, sondern zeigte sich für jede Art von Kooperation offen. Einig waren sich die Experten, dass das lineare Fernsehen in Deutschland in absehbarer Zeit dabei weiter eine dominante Rolle spielen werde.

 

Quelle: Medientage München
Titelbild: Vlada Photo – shutterstock.com

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