Deshalb ist Greenwashing ein Rückschritt für die Gesellschaft
Nadine Barth Allgemein Marketing
Greenwashing – dieser Begriff taucht im Zuge weltweiter Anstrengungen nachhaltiger zu wirtschaften immer häufiger in Medienberichten auf. Doch wie genau lässt sich Greenwashing erkennen und was hat es mit Healthwashing oder aber Greenbashing auf sich?
Diverse Anhaltspunkte geben Anlass zur Befürchtung, dass Greenwashing weiterhin auf dem Vormarsch ist und ernst gemeinte Bestrebungen ökologischen Wirtschaftens indirekt diskreditiert – denn immer mehr Verbraucher wenden sich enttäuscht ab und schenken etwa Bio-Zertifikaten keinen Glauben mehr.
Was genau ist Greenwashing?
Die Begriffe Schönfärberei, Etikettenschwindel oder „grüne Lügen“ treffen es gut. Viele Firmen, die offensiv mit nachhaltigem Wirtschaften in Form von Zertifikaten oder Zusicherungen ihren Kunden gegenüber werben, verstecken Leichen in ihren Kellern. Die Bandbreite möglicher Verfehlungen ist immens.
Beispielsweise werden bestimmte Fertigungsschritte in Länder ausgelagert, in denen ausbeuterische und menschenrechtsverletzende Arbeitsbedingungen bei Zulieferbetrieben bewusst ignoriert werden – während die Marke öffentlichkeitswirksam die „naturbelassene Bio-Qualität“ ihres neuen Produktes anpreist und sich als Retter des Planeten inszeniert.
Palmölsetzlinge statt Regenwald
Was aber nutzen sogenannte „Bio-Palmöl“-Produkte, wenn in Brasilien oder Indonesien zu deren Anbau erst Wälder gerodet werden mussten? Die tieferen, strukturellen Probleme, die mittels Greenwashing zu kaschieren versucht werden, haben aufgrund ihrer Komplexität bisher kaum die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit erreichen können. Stattdessen existiert die Tendenz zur Pauschalisierung, die das Werben mit nachhaltigem Wirtschaften generell in Frage stellt und diffuses Misstrauen nach sich zieht.
Alles nur Fake News? Greenbashing
Ein Nebeneffekt des Greenwashings ist das sogenannte Greenbashing. Da diversen Unternehmen verschleierndes, beschönigendes und unterlassenes, also unethisches Verhalten nachgewiesen wurde, geraten jene Unternehmen, die keine dieser Eigenschaften in ihrer nachhaltigen Strategie aufweisen, ebenfalls unter Verdacht.
Weil Konsumenten keine Zeit haben, sämtliche Unternehmen, deren Produkte sie im Alltag kaufen unter die Lupe zu nehmen und auch die Mittel der Umwelt- oder Sozialschutzorganisationen dazu zu knapp begrenzt sind, werden Unternehmen unter Umständen abgeschreckt, tatsächlich sinnvolle, nachhaltige Schritte zu unternehmen. So prognostizieren in einem misstrauischen Konsumklima unternehmensinterne Risikoanalysen häufiger höhere Kosten/Schäden als potentielle Gewinne durch Umstellung auf nachhaltiges Wirtschaften.
Healthwashing
Ähnlich wie beim Greenwashing, steht beim Healthwashing die Täuschung des Konsumenten durch Auslassen oder Suggestion im Vordergrund. Ein süsser Drink, der plötzlich gesund sein soll, weil er laut Aufdruck „nur noch halb so viel Zucker“ enthält, provoziert viel zu selten die Frage, ob auch das nicht noch viel zu viel ist, bzw. wodurch die andere Hälfte Zucker ersetzt wurde? Etwa durch nicht-pflanzliche Süsstoffe?
Und die Kuh auf der grünen Wiese, die viele Milchpackung ziert? Sie spiegelt falsche Tatsachen vor. Braucht es vielleicht analog zu den Warnbildern auf Zigarettenpackungen ein Gesetz, das realistische Bilder eng eingezäunter Kühe in riesigen Hallen obligatorisch macht? Vielen Verbrauchern gingen Massnahmen wie diese sicher zu weit – doch ob das in zehn bis fünfzehn Jahren auch noch so ist, darf bezweifelt werden.
Greenwashing im Finanzsektor
Gerade in der Geldanlagebranche besteht eine verhängnisvolle Tendenz zum Greenwashing. So werden beispielsweise Anlageprodukte lediglich deshalb als besonders nachhaltig gepriesen, weil etwa auf Rüstungswerte im Portfolio verzichtet wird – obschon diese noch nie Teil davon waren. Durch die Tolerierung und Übernahme einer solchen, kritiklosen Selbstklassifikation unterstützt die Finanzbrache Greenwashing, statt es zu verhindern.
Als Grundlage privatwirtschaftlicher Ratingagenturen für die Beurteilung ökologischer und sozialer Qualität der Unternehmensführung (ESG – Environment, Social, Governance) dienen übrigens bis zu über hundert Einzelkriterien. Während sich Vertreter der Finanzindustrie lediglich über das Fehlen allgemeingültiger Standards beschweren, mahnen Branchenkenner wie Prof. Dr. Dirk Soehnholz an, dass ohne eine Standardisierung der Kriterien mithilfe der einflussreichen Akteure eine öffentliche Regulierung mittelfristig unvermeidbar werden würde.
Wie erkennt man Greenwashing?
Um Greenwashing im Alltag bewusster wahrnehmen zu können, lohnt es sich schon einmal etwa genauer hinzuschauen. Zwar gibt es durchaus sinnvolle Öko-Siegel bzw. Beschreibungen, wie etwa „Blauer Engel“, „MSC“, „FSC“, „Bio“, „Öko“, „Carbon neutral“, „regionales Produkt“ oder „ohne Zusatzstoffe“, aber gleich neben derart ausgewiesenen Produkten findet sich unter Umständen solche mit dem Aufdruck „Biologisch Zertifiziert“. Doch dass das Label „Biologisch Zertifiziert“ offiziell nicht existiert und es sich um ein frei erfundenes Gütesiegel handelt, überrascht unbedarfte Kunden mit Sicherheit.
Die Journalistin und Filmemacherin Kathrin Hartmann, Autorin des Buches „Die grüne Lüge. Weltrettung als profitables Geschäftsmodell“, kommt zu dem Schluss, es bedürfe wieder einer „bürgerlichen Selbstermächtigung“. Es müsse deutlich gemacht werden, dass wir (Verbraucher) uns nicht mehr uns nicht mehr alles erzählen liessen.
Ihrer Meinung nach sei Greenwashing ein Hinweis auf gesellschaftlichen Rückschritt, da es Konsumenten suggeriere, alles könne bleiben wie es ist. So seien sie schuld, wenn sie „falsch“ einkauften, oder sie bekämen eben ein gutes Gewissen – gewissermassen „Biologisch Zertifiziert“. In vielen Verbrauchern würde eine Hilflosigkeit erzeugt, die Konzernen sehr nutze, da die Verbraucher nun glaubten, sie könnten nichts tun.
Sensibilisierten Verbrauchern, die Interesse haben sich genauer mit der Thematik auseinander zu setzen, seien Projekte wie der „Klimalügen-Detektor“ von Greenpeace, das „BUND Dossier Greenwash“, aber auch Studien wie etwa „Greenwash in Zeiten des Klimawandels. Wie Unternehmen ihr Image grün färben.“ von Lobby Control und „Making Green Stuff“, sowie „Green spin everywhere“ ans Herz gelegt.
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