Bain-Studie zu Fusionen und Übernahmen in der Automobilindustrie / M&A wird zur strategischen Kernkompetenz
München/Zürich (ots) –
- Volumen strategischer Übernahmen hat sich in der Automobilbranche binnen fünf Jahren weltweit mehr als verdoppelt - Zahl der M&A-Deals wird aufgrund disruptiver Veränderungen wie Elektrifizierung und Automatisierung der Fahrzeuge weiter steigen - Drei von vier Übernahmen dienten 2020 der Expansion oder dem Einstieg in neue Geschäftsfelder - Fünf Stellhebel sind entscheidend, um das volle Potenzial von M&A-Transaktionen zu heben
München/Zürich (ots) – Elektromobilität, Digitalisierung der Fahrzeuge und der Trend hin zum autonomen Fahren stellen Hersteller und Zulieferer in der Automobilindustrie vor nie gekannte Herausforderungen. Zunehmend nutzt die Branche nun Zukäufe, um diesen disruptiven Wandel zu bewältigen. Auch deshalb ist das Volumen strategischer M&A-Deals im Automobilsektor innerhalb von fünf Jahren auf 75 Milliarden US-Dollar gestiegen und hat sich damit mehr als verdoppelt. In ihrer Studie „M&A: Die unterschätzte Kernkompetenz im Automobilgeschäft“ analysiert die internationale Unternehmensberatung Bain & Company das weltweite Fusions- und Übernahmegeschehen und zeigt auf, wie Hersteller und Zulieferer das volle Potenzial von Zukäufen heben können.
Scope-Deals nehmen deutlich zu
Von 2015 bis 2019 ist die Zahl der Deals mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen US-Dollar laut Bain-Analyse um 40 Prozent auf 54 gestiegen. Im selben Zeitraum erhöhte sich das durchschnittliche Transaktionsvolumen um rund 50 Prozent auf 1,4 Milliarden US-Dollar. Das Corona-Jahr 2020 hat die Branche zwischenzeitlich gebremst, untätig aber blieb sie nicht: Es kam zu 35 Deals in einer Größenordnung von insgesamt 25,8 Milliarden US-Dollar. Drei Viertel davon entfielen auf sogenannte Scope-Deals, bei denen Käufer ihr Portfolio erweitern, Kompetenzen erwerben oder in neue Geschäftsfelder einsteigen. Die restlichen M&A-Transaktionen waren Scale-Deals und zielten damit primär auf Skalen- und Kostenvorteile ab. Deren Anteil hatte vier Jahre zuvor noch bei zwei Dritteln gelegen (Abbildung).
„Die 2020er-Jahre werden für die Automobilindustrie ganz im Zeichen der disruptiven Veränderungen stehen“, erklärt Dr. Klaus Stricker, Bain-Partner und Co-Leiter der globalen Praxisgruppe Automobilindustrie und Mobilität. „Für Hersteller wie Zulieferer sind Zukäufe eine Möglichkeit, die Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen und Hard- sowie Softwarekompetenzen zügig zu erweitern.“ Doch auch Scale-Deals blieben auf der Agenda. „Die Konsolidierung der Automobilindustrie wird zweifelsohne weitergehen“, so Stricker.
Übernahmepotenzial noch nicht ausgereizt
Gemessen an anderen Branchen nehmen sich die M&A-Aktivitäten des Automobilsektors allerdings noch eher bescheiden aus. Die Gesundheitsbranche verzeichnete in den Jahren 2015 bis 2019 fast viermal so viele Fusionen und Übernahmen, die Computer- und Elektronikindustrie kam sogar auf das Sechsfache. Gerade die schnelllebige Hightech-Branche kann Fahrzeugherstellern und Zulieferern als Vorbild dienen – zumal sich die Geschäftsmodelle aufgrund des zunehmenden Hard- und Softwareeinsatzes in der Automobilindustrie angleichen.
Für kapitalkräftige Unternehmen könnten die Voraussetzungen derzeit kaum besser sein, um vermehrt zu akquirieren. Denn Krisenzeiten dämpfen in der Regel die Erwartungen von Verkäufern. Zudem ist vielerorts die Kapitaldecke angespannt. Von Mitte 2019 bis Mitte 2020 sank beispielsweise die Eigenkapitalquote europäischer Zulieferer um 9 Prozentpunkte und die der US-Wettbewerber sogar um 16 Prozentpunkte. Vor diesem Hintergrund stellt Dominik Foucar, Associate Partner bei Bain und Leiter der Praxisgruppe Automobilzulieferer für die DACH-Region, fest: „Im Jahr 2021 dürfte es vermehrt zu kleineren Übernahmen kommen. Deshalb wird die Zahl der M&A-Deals auch wieder steigen – so wie es vor der Corona-Pandemie war.“
M&A-Kompetenz zügig ausbauen
Automobilhersteller und Zulieferer können ihre Chancen am Markt nur nutzen, wenn sie über die passenden Strukturen und Prozesse verfügen. Im Rahmen der Bain-Studie werden die fünf entscheidenden Stellhebel aufgezeigt, mit denen sich das volle Potenzial von M&A-Transaktionen heben lässt:
1. Strategische Einbettung von M&A. Übernahmen und Kooperationen werden zu einem integralen Bestandteil der Unternehmensstrategie und entsprechend in der Organisation verankert.
2. Schnelle M&A-Prozesse. Geschwindigkeit tut not, wollen Automobilhersteller und Zulieferer vielversprechende Kandidaten der Hightech-Branche an Bord holen und Übernahmen rasch zum Erfolg führen.
3. Erweiterter Dealfokus. Angesichts des disruptiven Wandels in der Automobil- und Mobilitätsbranche ist es unerlässlich, sich mit Unternehmen jenseits des bisherigen Kerngeschäfts zu beschäftigen.
4. Verbesserte Post-Merger-Integration. Gerade bei der Übernahme von Technologiespezialisten ist Fingerspitzengefühl gefragt, was auch bedeuten kann, dass zugekaufte Firmen zunächst unabhängig bleiben.
5. Monetarisierung des Mehrwerts. Ansatzpunkte hierfür können sich über das jeweilige Produkt hinaus bei der Vermarktung des geistigen Eigentums oder durch die Nutzung des Geschäftsmodells des akquirierten Unternehmens ergeben.
„Automobilhersteller und Zulieferer sollten ihr Know-how und ihre Fähigkeiten in puncto M&A unverzüglich ausbauen, denn nur so können sie eine aktive Rolle bei der Konsolidierung übernehmen, in ihrem Kerngeschäft expandieren und in neue Geschäftsfelder vorstoßen“, resümiert Branchenkenner Stricker. „Wurde die Bedeutung von Fusionen und Übernahmen in der Vergangenheit auch unterschätzt, jetzt werden M&As zur strategischen Kernkompetenz, um im Wettbewerb ganz vorne mit dabei sein zu können.“
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